Standpunkte.

IHK_Katrin_Klodt_Bussmann 17.01.2024 (16)
Wir brauchen kalkulierbare Rahmenbedingungen
Prof. Dr. Katrin Klodt-Bußmann

Geschäftsführerin

Wir brauchen kalkulierbare Rahmenbedingungen
IHK_Katrin_Klodt_Bussmann 17.01.2024 (16)
Prof. Dr. Katrin Klodt-Bußmann

Geschäftsführerin

IHK Konstanz sieht durchwachsenes Bild beim Fachkräftemangel

IHK Konstanz-Bodensee

Das folgende Gespräch mit Prof. Dr. Katrin Klodt-Bußmann, Hauptgeschäftsführerin der IHK Konstanz-Bodensee, beleuchtet die aktuelle Lage am regionalen Arbeitsmarkt, die besonderen Herausforderungen in der Grenzregion zur Schweiz und die notwendigen Weichenstellungen für die Zukunft.

Standpunkt.Wirtschaft: Wie nehmen Sie aktuell die Personalsituation in der Region aus Sicht der IHK wahr?

Prof. Dr. Katrin Klodt-Bußmann: Die Personalsituation ist derzeit relativ schwierig zu beurteilen. Wir nehmen sie sehr verunsichert wahr. Aus dem extremen Fachkräftemangel vor einigen Monaten hat sich eine gewisse Stagnation eingestellt – viele halten die Füße still, um zu sehen, was passiert.

In manchen Bereichen herrscht der Fachkräftemangel noch immer vor, besonders bei Unternehmen, die von der Russland-USA-Situation nicht unmittelbar betroffen sind. Besonders im Gastro- und Hotelleriebereich, im Handel und in allen Bereichen, die nicht stark von der Verunsicherung getroffen sind, ist die Lage noch immer angespannt. Nach unserer letzten Konjunkturumfrage schließen sich Handel und Dienstleistung, die bisher noch positiv waren, dem verhaltenen Industrietrend an.

Standpunkt.Wirtschaft: Gibt es Unterschiede zwischen kleineren Betrieben und großen Industriebetrieben?

Prof. Dr. Katrin Klodt-Bußmann: Bei den großen Industriebetrieben, besonders im Automobilbereich, ist der Fachkräftemangel momentan „on hold“. Sie sind eher dabei zu sehen, wie sie sich resilient aufstellen können – Personalausbau steht nicht im Vordergrund.

Bei kleineren Mittelständlern ist der Personalbestand ehrr beständig. Sie können diese Zeit noch gut überbrücken, ohne größeren Fachkräftemangel. Bei Engpässen wird sehr gut zusammengehalten.

Standpunkt.Wirtschaft: Sehen Sie eine Befürchtung der Unternehmen, durch Personalabbau ihre Marktposition zu gefährden?

Prof. Dr. Katrin Klodt-Bußmann: Natürlich. Wenn es nicht aufwärts geht, wie wir es hier gewohnt waren, entstehen Befürchtungen. Unsicherheit ist das größte Gift für Investitionsentscheidungen. Unternehmen stehen vor verschiedenen Szenarien: verhaltene Investitionen nur für Ersatzbeschaffung, neue Investitionen am Standort, Verlagerung z. B. in die USA oder kompletter Verzicht auf Investitionen bei anstehender Nachfolge.

Standpunkt.Wirtschaft: Wird durch den Personalabbau der Fachkräftemangel für die nächste Konjunkturphase verschärft?

Prof. Dr. Katrin Klodt-Bußmann: Man ist so beschäftigt mit der aktuellen Situation, dass dieser positive Aufwärtstrend leider noch nicht genug diskutiert wird. Viele Unternehmen stellen derzeit verhalten ein und besetzen nur unbedingt notwendige Stellen nach. Der Abbau erfolgt nicht beim High-End Know-how, sondern wird oft altersbedingt gestemmt – eine Art „Hold-Situation“. Gleichzeitig verändert sich die Arbeitswelt extrem, da möglicherweise andere Kompetenzen für Post-Transformations-Arbeitsweisen gebraucht werden.

Standpunkt.Wirtschaft: Gibt es Besonderheiten hier in der Grenzregion zur Schweiz?

Prof. Dr. Katrin Klodt-Bußmann: Unser Kammergebiet liegt entlang der Schweizer Grenze. Das ist ein Wirtschaftsraum – wir sind beidseitig die wichtigsten Handelspartner. Bei angespannter Lage hier sehen wir einen Trend zu mehr Grenzgängern in die Schweiz oder kompletten Wechsel. Bei besserer Lage gibt es auch einen Rücktrend, oft im Rahmen der Familiengründung, wenn das deutsche Arbeitsrecht wieder attraktiver wird.

Es gibt verschiedene Hin- und Her-Trends über die Grenze. Grundsätzlich verlieren wir eher Arbeitskräfte an die Schweiz, aber es gibt auch Gegentrends. In Bereichen mit höherer Bezahlung, wie der IT, können wir auch zurückwerben.

Standpunkt.Wirtschaft: Welche konkreten Maßnahmen setzen Sie ein, um Unternehmen bei Vermittlung und Weiterbildung zu unterstützen?

Prof. Dr. Katrin Klodt-Bußmann: Wir haben an beiden Standorten jeweils Mitarbeiter für die Beratung und Integration von eingewanderten Menschen, die eine Ausbildung machen wollen. Wir suchen geeignete Ausbildungsbetriebe und unterstützen bei Formalitäten und Integration durch Veranstaltungen, Beratung, Netzwerken und interkulturellen Austausch.

Wir bieten Erstberatung beim Fachkräfte-Einwanderungsgesetz für Fachkräfte mit anerkannten Abschlüssen. Trotz der angespannten Situation sehen wir hier Beratungsbedarf.

Ein besonderes Projekt ist unsere Partnerschaft in Indonesien für den Gastro- und Hotelbereich in Kooperation mit der IHK Trier. Dort werden potenzielle Auszubildende beim Deutschkurs unterstützt. Sie lernen Deutsch vor Ort und reisen erst mit Ausbildungsvertrag ein. Die Gespräche finden online statt, der Match wird schon dort gesucht und kulturelle Integration beginnt früh. Das führt zu besseren Erfolgs- und Bleibechancen.

Standpunkt.Wirtschaft: Wo sehen Sie die größten bürokratischen Hürden?

Prof. Dr. Katrin Klodt-Bußmann: Die Prozesse sind seltsam strukturiert mit Doppelungen. Ein Beispiel aus der Arbeitsagentur: Ein Mitarbeiter berät und sammelt Dokumente, gibt dann aber alles an einen anderen Mitarbeiter weiter, der von vorne anfängt. Obwohl die Dokumente vollständig sind, entstehen wieder Verzögerungen durch erneute Prüfung der Unterlagen.

Dazu kommen Verflechtungen zwischen verschiedenen Behörden, sehr lange Anerkennungsverfahren für Abschlüsse und extrem „deutsche“ Vorschriften zur Anerkennung. Wir wissen oft anscheinend besser, was Betriebe brauchen, obwohl sich andere Länder auch Gedanken machen.

Das nicht vollständig digitalisierte Auswärtige Amt ist eine weitere Hürde. Selbst beim beschleunigten Verfahren dauert es oft zu lange. Die neue Chancenkarte ist ein guter Ansatz, aber auch sie hat verschiedene Voraussetzungen.

Standpunkt.Wirtschaft: Sie sprachen alternative Wege bei der Anerkennung an?

Prof. Dr. Katrin Klodt-Bußmann: Wenn ausländische Fachkräfte Abschlüsse haben, die wir so nicht kennen, versuchen wir sie in deutsche Ausbildungsberufe zu subsumieren. Oft fehlen dann Fächerkombinationen oder die Bezeichnungen sind anders.

Wir könnten auch sagen: Das ist kein direkter deutscher Beruf, aber ein berechtigter Abschluss. Wir brauchen nicht immer dezidierte Vorgaben. Andere Länder haben interessante Berufsbilder. Man könnte Abschlüsse für Einreise und Arbeit anerkennen, ohne ihnen deutsche Namen zu geben. Das deutsche duale System ist gut und wird exportiert, aber das bewahrt uns nicht davor, andere wertvolle Abschlüsse anzuerkennen.

Standpunkt.Wirtschaft: Was wünschen Sie sich für die nächsten 5-10 Jahre?

Prof. Dr. Katrin Klodt-Bußmann: Das ist komplex, da viele Faktoren eine Rolle spielen. Dem Trend der Altersteilzeit können wir derzeit schwer entgegenwirken, da Betriebe unter Druck stehen. Wir sollten aber das Know-how halten und die Menschen flexibler einsetzen.

Wichtig wäre eine stabilere geopolitische Lage – nicht verbessert, sondern vorhersehbarer. Resilienz bedeutet, auch mit herausfordernden Bedingungen klarzukommen, wenn man weiß, worauf man sich einstellen muss.

Wir brauchen kalkulierbare Rahmenbedingungen, Wirtschaftspolitik mit klarer Unterstützung und Perspektive, Respekt und Wertschätzung des Unternehmertums und das Bewusstsein, dass starke Wirtschaft die Säule der Gesellschaft ist

Dieses Bewusstsein ist verloren gegangen. Wenn Menschen wieder den Sinn sehen, in der Wirtschaft mitzuwirken, und verstehen, dass gute Infrastruktur und Sicherheit finanziert werden müssen, aber ihnen zugutekommt, dann bekommen wir das Fachkräfte-Thema besser in den Griff.

Standpunkt.Wirtschaft: Das klingt nach einer kulturellen Thematik.

Prof. Dr. Katrin Klodt-Bußmann: Ja, es ist ein Gesamtpaket. Es muss sich lohnen, Unternehmer zu sein, man muss wertgeschätzt werden. Arbeitnehmer müssen einen Sinn darin sehen einen eigenen Beitrag zu leisten, und der Staat muss respektiert werden – aber nur soweit man ihn braucht, und er verlässlich handelt.

Das Interview wurde am 19. August 2025 geführt und behandelt die aktuellen Herausforderungen des Fachkräftemangels in der Grenzregion zur Schweiz sowie die Rolle der IHK bei der Unterstützung von Unternehmen. Wir bedanken uns bei Frau Prof. Dr. Katrin Klodt-Bußmann für das Interview.

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